Geburt und Auferstehung sind geschafft, widmen wir uns also den wirklich wichtigen Fragen: Welchen Wein trinke ich zu einem asitatisch inspirierten, steirischen Grubenkraut-Strudel? – Zu einem WAS? – Na, zu einem knusprigen Strudel mit einer leicht scharfen, schön sauren, leicht würzigen Grubenkrautfüllung? Einem Strudel, dessen Hauptbestandteil in einem steirischen Erdloch überwintert hat! Sebastian, sag doch auch mal was… (ich erzähl danach was zum Kraut!)…
Der Wein
Ela: Sebastian Bordthäuser, was trinken wir?
Sebastian: Einen 2012 Silvaner, K&U Edition vom Weingut Wittmann.
Ela: Warum diesen Wein?
Sebastian: Machen wir zunächst Inventur und schauen, was wir im Mund haben. Das Grubenkraut ist im Vergleich zu normalem Sauerkraut milder von der Säure und hat noch etwas von seinem vegetabilen Weißkohl-Aroma. Der Strudelteig sorgt für etwas Stärke, ergo Süße im Mund. Dazu kommt ein Hauch Schärfe über die Chilis, was diesem Gericht seinen besonderen Reiz gibt, denn die Kombination sauer-scharf ist eher in Asien als in Europa zu Hause. Aber keine Panik, die Schärfe wird eher wie ein kleiner wärmender Kohleofen in der hinteren Ecke wahrgenommen. Der Koriander ist also solcher kaum schmeckbar, also auch hier keine Angst vor dominant seifigen Tönen. Er sorgt vielmehr für Ruhe und Balance im Essen und ist gegart aromatisch nicht vergleichbar mit frischem Koriandergrün. Alles zusammen ist ein sehr heterogener Genuss, stückiges Kraut, bröseliger Teig.
Ela: Was bewirkt der Wein?
Sebastian: Der Wein funktioniert im Mund quasi wie ein Katalysator. Er homogenisert das Mundgefühl, legt sich wie ein Schleier aus Samt darüber und zusammen mit grob gehackten Krautgestrudel wird eine anschmiegsame Melange. Silvaner ist eher moderat in der Säure, daher die Wahl zu einem säurelastigen Gericht. Durch den langen Ausbau samt Schalen auf der Hefe bringt er genug Bumms und Textur mit um dem Strudel auf Augenhöhe zu begegnen. Der Wein wirkt im Antrunk süßlich, ist er aber nicht – er ist knochentrocken. Hier wird also nichts mit Zucker glatt gebügelt, sondern es wird gearbeitet mit Gerbstoffen, Phenolen, Säure und Textur über die Hefestandzeit. Der Wein lässt alle Beteiligten gleichberechtigt nebeneinander stehen. Das Kraut mit seiner eigentümlichen säuerlichen Note, die Schärfe weht wie ein roter Schleier darüber sowie der Silvaner als Geschmacksgeber selbst. Im Finish putzt er den Rachen und überlässt dem Weisskohl als Hauptakteur klar das Finale.
Das Grubenkraut
….so, Ela. Jetzt aber zur Orientierung ein paar Worte zum Grubenkraut. Wer, wie, wo und warum?
Ela: Ok! Vor langer Zeit dachte ich mal, es wäre eine tolle Idee, ein Buch über Kohl zu machen. (Um es vorweg zu nehmen: Kohl ist zu wenig sexy für Bücher – so sagte man mir… es gibt also bis dato keines, zumindest nicht von mir.) Ich recherchierte, fand dies und das zum Kohl… Der interessanteste Fund aber, war das Grubenkraut vom Froihof in der Steiermark. Das hat mich so fasziniert, dass ich wenige Wochen später am dampfenden Kohlkessel stand und mir die Finger wund knipste. (Hier seht ihr, wie das war!)
Aber eins nach dem anderen. Beim Grubenkraut, so entnahm ich der Froihof-Webseite, handle es sich um eine fast ausgestorbene, traditionell steirische Methode, sauren Kohl herzustellen. Der Weißkohl würde zunächst gekocht, dann ließe man ihn in Gruben, unter der Erde mindestens ein halbes Jahr fermentieren. Heraus käme ein mildsaurer Kohl, der irgendwie mit Sauerkraut verwand sei, aber eigentlich kaum zu vergleichen. Wow!
Ein Anruf bei Bäuerin Waltraud Froihofer und schon ging´s los. Mit Flugzeug und Leihwagen gurckte ich endlose Sepentinen hinauf in die nebligen Fischbacher Alpen. Bis ich endlich auf dem beschaulichen Bergbauernhof der Froihofers stand. Waltraud war nicht die ältere Dame, die ich erwartet hatte, sondern eine Frau Mitte Dreißig. Sie hatte in Wien studiert, sich aber nach dem Tod des Vaters entschieden, mit Mann und Kindern zurück auf den Hof zu ziehen. Den führt sie nun nach biologischen Richtlinien und in wunderbarer Vielfalt. (Reinschauen und staunen!)
Vom Grubenkraut hatten Waltraud und ihr Mann irgendwann gehört. Die Mutter kannte es noch von früher. Denn Kohl gehört traditionell in die Region und sicherte bis in die 70er Jahre die Grundversorgung der steirischen Bauern. Um den Kohl zu konservieren, wurde er damals zuerst blanchiert und dann in Erdlöcher gelegt. Dort fermentierte er und war so beinahe unbegrenzt haltbar. Das wollten die Froihofers ausprobieren. Sie starteten im Herbst 2008 mit ihrer ersten Kohlgrube und staunten im Frühling über das Ergebnis: Mildsauer vergährter Kohl. Geschmacklich kaum zu vergleichen mit Sauerkraut. Zwar ebenfalls sauer, aber viel aromatischer, komplexer, kohliger, runder. Vielleicht, weil die ganzen Kohlköpfe fermentieren und nicht der schon geschnittene Weißkohl?! Schon kurz nach der ersten Kohl-Kruben-Ernte machte Slowfood das Grubenkraut-Projekt zum Presidio. Und die Froihofers legten eine zweite Grube an.
Als ich Waltraud kürzlich fragte, ob sie mir für dieses Rezept Grubenkraut senden könnte, war sie sofort dabei. Sobald die Grube geöffnet würde… Ein paar Wochen später war ich stolze Besitzerin zweier wunderschöner Grubenkraut-Exemplare! Vielen Dank, Waldtraud. Und Respekt, dass du und deine Familie sich eine solche Arbeit machen, damit es dieses tolle Kraut noch heute gibt. Merci!
Das Rezept
Grubenkraut-Strudel
Für 4 Personen
Für den Strudelteig:
- 150 g Mehl
- 25 ml Pflanzenöl
- 3 g Salz
- Mehl für die Arbeitsfläche
- flüssige Butter zum Bestreichen
Für die Füllung:
- 1/2 Kopf Grubenkraut
- 1 rote Chilischote
- etwas frischer Ingwer
- 1/2 Stange Zitronengras
- einige Stengel frischer Koriander
- 1 Handvoll Bärlauch, alternativ 5 Halme Schnittknoblauch oder 1/2 Zehe frischer Knoblauch
- 1-2 TL brauner Zucker
- Salz
- Öl zum Braten
Für den Teig das Mehl, Pflanzenöl, Salz und 75 Milliliter lauwarmes Wasser gut verkneten und zu einer Kugel formen. Mit Öl einreiben, in Folie einschlagen und 30 Minuten bei Zimmertemperatur ruhen lassen.
Das Grubenkraut mit kaltem Wasser abwaschen, trocken tupfen und in Streifen schneiden. Chilischote waschen, entkernen und das Fruchtfleisch fein schneiden. Ingwer schälen und sehr fein reiben. Zitronengras durchbrechen und Stücke längs halbieren. Koriander und Bärlauch waschen, trocken schütteln und fein schneiden.
1 Esslöffel Öl in einer großen Bratpfanne erhitzen und das Grubenkraut samt Zitronengras darin etwa 5 Minuten rösten. Wenn es Farbe genommen hat, Chili und Zucker hinzugeben, das Kraut 1 Minuten unter Rühren weiterrösten. Das Kraut zum Abkühlen auf eine große Platte oder ein Blech geben. Ingwer, Koriander und Bärlauch untermischen.
Den Strudelteig auf einer bemehlten Arbeitsfläche ausrollen. Über die Handrücken auseinander ziehen und auf ein bemehltes Tuch legen. Die dicken Kanten rundherum abschneiden. Den Teig vorsichtig mit flüssiger Butter besprenkeln.
Den Backofen auf 220 °C (Ober-/Unterhitze) vorheizen. Das Kraut auf dem Teig verteilen, dabei an den Rändern jeweils einen 5 Zentimeter breiten Streifen frei lassen. Den rechten und linken Rand jeweils nach innen schlagen, den Strudel mithilfe des Handtuchs möglichst fest aufrollen.
Den Strudel mit der Naht nach unten auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech legen. Den Strudel mit flüssiger Butter bepinseln, den Backofen auf 180 °C zurückschalten und den Strudel in 35-45 Minuten goldbraun backen. Zwischendurch noch zweimal mit flüssiger Butter bepinseln. Warm servieren. Ein Klecks saure Sahne passt gut zum Strudel. Guuuuuuuten!
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