Frühling rockt! Wein & Gemüse läuft zur Hochform auf. In den nächsten Wochen geht´s hier quer durchs Beet! Zum Start kombinieren wir bunte Karotten mit seltenen Trauben aus Galizien. Martin Kössler empfielt Euch 2013er Godello und erklärt, warum der so herrlich zur ofengerösteten Orangen-Karotte passt. Und los!

Der Wein zur gerösteten Orangen-Karotte

2013 Godello, Adega »A Coroa», Valdeorras, Galizien, Spanien

Ela: Was für ein Gericht haben wir hier? Welche Aromen spielen eine Rolle?

Martin: Karotte und Orange! Heißt: erdiger Geschmack mit leicht süßlich frischem Biss trifft auf süß, sauer und saftig. Werden die beiden geschmort, verschmelzen die Gegensätze in Struktur und Geschmack in animierenden Röstaromen, die im Honig süße Bindung finden. Der Honig steuert aber auch eine erdig morbide Grundstimmung bei, die der Sesam aufgreift. Diese verschmilzt die karamellisierende Orange mit dem Zitronensaft, dem leicht bitteren Olivenöl und dem Salz während des Röstvorgangs zu würzig herber Süße, die den Geschmack der Karotte wie auf Flügeln zu tragen scheint.

Ela: Was bedeutet das für den Wein? Welchen Wein hast du ausgewählt?

Martin: Der Wein, der diese so simple, wie spannende Kombination begleiten soll, muß einiges können. Dominierende Frucht könnte mit der erdigen Herbheit des Gerichtes kollidieren, es sei denn, man stellt sie gezielt in den Vordergrund und orientiert sich dabei an den Zitrusaromen. Ich gehe eher nach der gefühlten Aromatik und Struktur im Mundgefühl und habe mich deshalb für einen kaum bekannten Weißwein aus Nordspanien entschieden: Godello. Eine alte autochthone Rebsorte Galiziens. Im Fall der Adega »A Coroa» aus Valdeorras spontan im Edelstahltank vergoren und lange auf der Vollhefe im Tank ausgebaut. »A Coroa« ist ein kleiner Betrieb, der nur vier Weine produziert. Der Godello ist der einzige Wein der D.O. Valdeorras, der kontrollierter Produktion entstammt.

Ela: Was passiert, wenn wir diesen Wein zur Ofenkarotte trinken?

Martin: Der Godello ist ein herber Wein, wie es ihn in Stil und Charakter so nur in Nordspanien und Portugal gibt. Knochentrocken und animierend bitter im Nachklang. Typisch für autochthone Sorten, fast ein wenig salzig auf der Zunge und merkwürdig neutral wirkend im ersten Kontakt. Mit entsprechendem Essen aber weiß er sich eindrucksvoll in Szene zu setzen. So konterkariert er die Süße im Gericht mit der Süße seines Extraktes aus niedrigen Erträgen. Qualität, die man schmeckt. Weich und cremig am Gaumen, saftig in der Säure, erfrischend herb im Mundgefühl und ungewohnt würzig im Charakter; sowohl gelbfruchtig mit Anklängen an weiße und gelbe Blütendüfte im Frühling, als auch grün und zitrusartig frisch im Aromenprofil. Weine wie dieser sind die neuen Stars zu Gemüseküche. Direkt auf der Zunge in präziser aromatischer Strahlkraft, pur im Charakter ohne Speck auf der Hüfte, würzig statt fruchtig, herb ohne bitter zu sein und »süß« durch innere Dichte und Konzentration. So greift er hier die erdigen, süßlich säuerlichen Aromen sensibel auf und spielt im Mundgefühl gekonnt mit der Süße, aber auch mit der Struktur der Karotten, ohne an Profil zu verlieren; Wein und Gericht agieren auf Augenhöhe.

Ela: Empfielst du den Godello also auch zu anderem Gemüse?

Martin: Absolut! Der Godello von »A Coroa« macht Bitterkeiten im Gemüse mit, von der Oxalsäure des Spargels bis zum Lactucopikrin von Chicorée, Endivie und Radicchio. Er harmoniert sogar zu Gerichten, in denen Eier die Hauptrolle spielen. Da agiert er in einer Liga mit dem fast vergessenen Friulano, der Ribolla oder dem Albariño. Weißweine, die nur wenig Beachtung finden, weil wir uns in den letzten Dekaden ganz auf die Frucht im Wein konditionierten, statt auf Mundgefühl, Textur und chemisch physikalische Wirkung zu achten. Durch das neue Interesse an der Gemüseküche erleben nicht nur sie ihre verdiente Renaissance, sondern auch die Sensorik von Wein beginnt über den Tellerrand zu schauen.

Ela: Ein ganz herzliches Dankeschön! Dann schieben wir die Orangen-Karotten mal in den Ofen…  und schreiben das Rezept nieder. (Siehe unten!)… Mir hat der Godello zusammen mit den ofengerösteten Orangen-Karotten übrigens ganz wunderbar geschmeckt. Dazu gab es mein Lieblings-Nussbrot der Bäckerei Zimmermann und (weil ich ein Mädchen bin) cremigen Ziegenfrischkäse. Beides erdet das Gemüse-Wein Vergnügen hervorragend und gibt eine extra Portion Cremigkeit, Biss und Aroma! Großes Kino am Abendbrottisch!

Das Rezept

Geröstete Orangen-Karotten

• 1 Bund Karotten
• 2 kleine, unbehandelte Orangen
• 4-5 EL Olivenöl
• 1-2 TL Honig
• ½ Zitrone
• grobes Meersalz oder Fleur de Sel
• Frisch gemahlener Pfeffer
• 2 EL Sesam

Backofen auf 220 °C vorheizen. Karotten vom Grün befreien, schälen und längs vierteln oder achteln. 1 Orange in dünne Scheiben schneiden und diese vierteln. Karotten und Orangenscheiben auf einem Backblech verteilen.

Zweite Orange auspressen. Orangensaft, Olivenöl, Honig und Zitronensaft auf den Karotten verteilen. Mit Salz, Pfeffer und Sesam bestreuen. Karotten gut durchmischen, gleichmäßig verteilen und im Backofen 20-30 Minuten backen. Sie sollen bissfest sein und dürfen ruhig Farbe bekommen. Karotten anrichten, mit Ziegenfrischkäse, gutem Brot und Godello genießen. Viel Spaß!

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